Inke Arns, Berlin, D
inke@snafu.de
"Art Will Be Code, Or It Will Not Be:
Medien- und Netzkunst im postoptischen Zeitalter"
Der Computer ist kein Bildmedium,
sondern essentiell ein Schriftmedium, an das alle möglichen
audiovisuellen Ausgabemedien anschließbar sind.11 Cramer
2001 Multimediale, dynamische Oberflächen werden von
ihnen zugrundeliegenden (Programmier-)Texten generiert. Programmcode
zeichnet sich dadurch aus, dass in ihm íSagen' und íTun' zusammenfallen,
Code als ìhandlungsmächtiger" Sprechakt also keine Beschreibung
oder Repräsentation von etwas ist, sondern direkt affiziert,
in Bewegung setzt, Effekte zeitigt.22 Arns 2001 Diese ìcodierte
Performativität"33 Grether 2001 hat unmittelbare, auch
politische Konsequenzen für die virtuellen Räume,
in denen wir uns zunehmend bewegen: Er mobilisiert bzw. immobilisiert
seine Benutzer. Der Code wird so zum Gesetz, Code is Law (Lessig
1999). Der elektronische Datenraum des Internet verbindet
sich nur Menschen weltweit, er erlaubt potentiell auch eine
perfekte, weil fast unbemerkte, allgegenwärtige Kontrolle
und Überwachung. Die Überwachung dieses Raumes basiert
nicht auf visuellem, also von Überwachungskameras aufgenommenem
Material, sondern auf der Auswertung von Datenmaterial, Code.
Man kann daher von einem postoptischen Zeitalter sprechen:
Code is Law.
Künstlerische Projekte, die sich heute mit den Themen
Kontrolle und Überwachung elektronischer Datenräume
(wie z.B. des Internet) auseinandersetzen, setzen daher direkt
auf dem Code auf. Einerseits thematisieren in der Netzkunst
die sogenannten ìCodeworks"44 Sondheim 2001 die Allgegenwärtigkeit
von Codes. Es sind Projekte, die den reinen, ìrohen" formalen
ASCII-Instruktionscode bzw. dessen Ästhetik benutzen,
ohne jedoch auf die von ihm geschaffenen Oberflächen
und multimedialen graphischen Benutzerinterfaces rekurrieren
zu müssen (Jodi, NN. a.k.a. Antiorp und mez). Andererseits
machen KünstlerInnen mit teils umstrittenen Projekten
auf die Existenz dieser heiß umkämpften Datensphäre
aufmerksam, bauen private ECHELON-Systeme und thematisieren
die zunehmende Einschränkung des öffentlichen Raumes
durch Privatisierung von Telekommunikationsinfrastrukturen
(Makrolab, Knowbotic Research). Die Projekte, die im Rahmen
des Vortrages vorgestellt werden, rufen die Existenz eines
normalerweise durch die graphischen Oberflächen verdeckten
ìvirtuellen Unbewussten" ins Gedächtnis, analog der mechanischen
Aufnahmetechniken, die es laut Benjamin ermöglichten,
das vom Bewusstsein verdrängte ìoptische Unbewusste"
aufzuzeichnen. Heute kann der Code als "postoptisches Unbewusstes"
gelten.
Links:
jodi
NN. / Antiorp
MEZ
Makrolab
Knowbotic Research
;
aktuell: "Minds of Concern: Breaking News" (2002), als Teil
des Ausstellungsprojektes "Open_Source_Art_Hack", The New Museum,
May 3 - June 30, 2002
Inke Arns
http://www.v2.nl/~arns
Inke Arns. Netzkulturen. Europaeische Verlagsanstalt, Hamburg,
2002
http://home.snafu.de/inke/Netzkulturen
Inke Arns. Neue Slowenische Kunst (NSK) - eine Analyse ihrer
kuenstlerischen Strategien im Kontext der 1980er Jahre in Jugoslawien.
Regensburg 2002. ISBN 961-90851-1-6 http://www.v2.nl/~arns/Texts/NSK/abstract-NSK2002.html
Inke Arns (*1968) ist freie Kuratorin
und Doktorandin an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Ihre Dissertation Objects in the Mirror may be Closer Than
They Appear: Die Avantgarde im Rückspiegel untersucht
die Rezeption der historischen Avantgarde in künstlerischen
Projekten der 1980er und 1990er Jahre in Ex-Jugoslawien und
Russland. Nach einem vierjährigen Aufenthalt in Paris
1982-86 studierte sie von 1989-1996 Osteuropastudien, Slawistik,
Politikwissenschaften und Kunstgeschichte in Berlin und Amsterdam
(Erasmus-Stipendium 1992). 1996 Abschluss des Studiums mit
einer Magisterarbeit über die Neue Slowenische Kunst
(NSK) (publiziert im März 2002). 1998-2000 Promotionsstipendium
der Berliner Nachwuchsförderung (NaFöG); 2000- 2001
wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Slawistik
der Humboldt-Universität zu Berlin. Ihre kuratorische
Arbeit umfasst Ausstellungen, Festivals und Konferenzen zu
internationaler Medienkunst; u.a. OSTranenie 93 (Bauhaus Dessau),
Minima Media. Medienbiennale Leipzig 94 (Buntgarnwerke Leipzig-Plagwitz
1994), un-frieden. sabotage von wirklichkeiten (Kunstverein,
Hamburg 1996/97), body of the message (Neuer Berliner Kunstverein
1998); update 2.0 (ZKM Karlsruhe/Goethe-Institute 2000). Derzeit
arbeitet sie zusammen mit Dieter Daniels an der Entwicklung
einer audiovisuellen "Einführung in die Medienkunst"
für die Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB)
Leipzig. Gründungsmitglied des translokalen Syndicate-Netzwerkes
(1996-2001), Mitbegründerin von mikro, Verein zur Pflege
von Medienkulturen (03/1998) sowie Mitbegründerin von
Spectre, einer Mailingliste für Medienkultur in Deep
Europe (08/2001). Zahlreiche Beiträge zu Medien- und
Netzkunst und -kultur in Büchern und internationalen
Zeitschriften, u.a. in Praxis Internet (Frankfurt/Main: Suhrkamp,
2002), Leonardo Electronic Almanach (USA), Kunstforum International
(D), ArtIndia (IN) und Convergence: Journal of Research into
New Technologies (UK); ihre Bücher Neue Slowenische Kunst
(Regensburg / Ljubljana) und Netzkulturen (Europäische
Verlagsanstalt, Hamburg) sind im Frühjahr 2002 erschienen.
Vgl. http://www.v2.nl/~arns.
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